Genealogische Zusammenstellung der Familie Steger vom linken Niederrhein

Beschreiung der Flachsverarbeitungaschritte

Flachsstängel Querschnitt

Die Aussaat

Nach überlieferter Tradition wurde Flachs am 100. Tag ausgesät, also um den 15. April bis 1. Mai herum. Der Samen zeigte schon nach 100 Stunden die ersten Keime. Etwa 100 Tage später, je nach Witterung, war der Flachs reif zur Ernte. Eine alte Wachstumsregel weist auf die Bedeutung der Zahl 100 beim Flachsanbau hin. Sie besagt: Den hundertsten Tag aussäen, hundert Stunden im Boden, hundert Tage über dem Boden.

Jäten

Wenn die junge zarte Pflanze etwa 5 cm hoch war, ging man meist daran, das Feld zu jäten - vom Unkraut zu befreien. Diese sehr viel Sorgfalt erfordernde Arbeit wurde meist von Kindern und Frauen ausgeführt. Es wurde oft vorgeschlagen, barfuss oder in Socken zu jäten, damit die Halme nicht knickten, dazu mit dem Gesicht gegen den Wind, so konnte sich der Lein nach dem Jäten besser wieder aufrichten.

Raufen

Der nun für die Ernte reife Flachs wurde mitsamt der Wurzel ausgerauft, damit auch ja nichts von der wertvollen Faser verloren ging. Beim Raufen wurden kleine Stängelbündel im unteren Drittel gepackt und mit einem kurzen Ruck herausgezogen (Zitat eines alten „Flachsexperten“: „Es muss sich anhören, als ob eine Kuh grast“. Die Erde wurde abgeschlagen und dann die Bündel kreuzweise zum Nachreifen und Trocknen auf dem Feld aufgestellt. Man kann jedoch davon ausgehen, dass die Feldarbeit überall anderen Regeln unterlag und dies immer spezifisch für eine Landstrich zu sehen ist. Man hielt an den überlieferten Techniken und Regeln fest.

Riffeln

Unter Riffeln versteht man das Abstreifen der Samenkapseln vom Stängel. Dies geschah auf der sog. „Riffelbahn", einer Fläche von etwa 10 x 10 m mit festgestampftem Boden und einer leichten Erhöhung. In der Mitte stand der schwere Riffelbalken mit mehreren groben Kämmen. Der Riffler schlug eine Hand voll Flachs in die eisernen Zähne und zog den Flachs hindurch. Die Samenkapseln wurden so abgestreift und fielen zu Boden. Danach wurden die Wurzelenden durch die Riffel gezogen.

Riffelbank
Riffelbank:
Die Samen weden von der Flachspflanze getrennt.

Die Samenkapseln wurden später ausgedroschen und man erhielt den Leinsamen. Nach mehrmaliger Reinigung nahm man den Samen für das neue Saatgut oder er wurde in der Ölmühle zu Öl verarbeitet. Das so gewonnene Leinöl wurde als Speiseöl oder zu zahlreichen technischen Ölen verwendet. Das Riffeln war eine schwere körperliche Arbeit, die nur von kräftigen Männern verrichtet wurde, während Kinder und Frauen die Flachsbündel öffneten und anreichten.

Rotten (Rösten) und Darren

Meistens noch am selben Tag, an dem der Flachs geriffelt worden war, brachte man die Flachsbündel mit dem Fuhrwerk dorthin, wo der Boden feucht und wasserhaltig war, meist etwas außerhalb der Ortschaften. Hier waren die Flachsrösten, rechteckige Gruben, 5 x 3 m groß und etwa 1 m tief. Diese mit Wasser gefüllten Gruben dienten dazu, den Flachs aufzunehmen. Er wurde unter Wasser getreten, mit Grasnarben und Brettern beschwert, damit er unter Wasser blieb. Der Flachs musste jetzt darin rotten (rösten, faulen). Dadurch lösten sich später die Fasern besser vom holzigen Kern.

In der Rotte blieb der Flachs etwa 8 Tage oder etwas länger. Danach wurde der Flachs wieder aus den Gruben geholt und auf dem Feld zum Trocknen ausgebreitet. In manchen Gegenden kam der Flachs nicht in die Gruben, sondern blieb auf dem Feld einfach fein säuberlich ausgebreitet liegen und war der Witterung - Regen und Sonne - ausgesetzt. Man sprach dann von der Taurotte („verrotten"). Der Flachs aus der Kaltwasser-Rotte hatte eine schöne flachsblonde Farbe, während der Flachs aus der Taurotte mehr bräunlich-grau war, dafür aber einen noch edleren Glanz besaß.

Nun musste der Flachs wieder getrocknet (gedarrt) werden. Das Darren geschah meist in Backöfen oder an offene Feuerstellen. Da der getrocknete Flachs wie Zunder brennt, war dies oftmals eine große Gefahr. Man ging immer mit gemischten Gefühlen an diese Arbeit oder verzichtete oftmals gänzlich darauf, um gefahrloser in der Sonnenhitze zu darren.

Brechen

Wenn man weiß, wie der Flachsstengel aufgebaut ist - innen ein hohler Holzkern, dieser von den Fasersträngen umgeben -, so kann man sich gut vorstellen, dass man zuerst das Holz entfernen muß, um an die wertvollen Fasern zu gelangen. Dieses Lockern und Entfernen der Holzteile ist der Sinn des Brechens. Das geschah mit der Breche. Eine Handvoll Flachs wurde in das Arbeitsgerät gelegt und dann wurde mit Schwung das Oberteil zugeklappt. Hierbei zerbrachen die Stängel zwischen den angeschärften Hölzern und der holzige Kern, die Schäben, fielen zu Boden.

Breche
Breche: Die gerösteten und gedarten Flachsstengel
werden zerknickt, damit sich der Innere Holzkern
von
den Leinefasern trennt.

Schwingen

Nun kam das Schwingen. Die nunmehr lose sitzenden Holzteile wurden herausgelöst. Einfache Schwingen bestanden in einem aufrecht stehenden Brett mit einem Fuß. Der Schwinger nahm mit der linken Hand eine Handvoll Flachs und legte ihn auf die Oberkante des Brettes, so dass die reichlich halbe Länge des Flachses an der vorderen Seite des Brettes frei herabhing. Mit der rechten Hand führte er das Schwingholz, ein flaches, am Rande etwas angeschärftes Brett, und schlug dann die Reste der holzigen Teile heraus. Dann wurde mit der anderen Hälfte genauso verfahren, so dass der nunmehr reine Flachs übrig blieb. Die Entwicklung ging natürlich immer weiter, und so setzte man auch bald mit einer Handkurbel angetriebenen Schwingräder, die sehr lange gebräuchlich waren, ein.

Schwingstock
Schwingstock mit Flachsschwert:
Der Flachs wird von restlichen Holzteilen befreit.

Hecheln

Der nächste Arbeitsgang war das Hecheln. Der Flachsbast, so wie er durch das Schwingen gewonnen wurde, eignete sich noch nicht zum Verspinnen, da er noch bandartig war. Der Flachsbast musste erst zu Fasern gespalten werden. Dabei sollten die kurzen Flachsfasern entfernt und die langen gleichzeitig schön ausgekämmt und geordnet werden. Dies geschah durch eiserne Kämme, die so genannten Hechel. Mehrmals wurde dieser Arbeitsgang wiederholt. Die ausgekämmten Fasern, das Werg (Hede), wurden zu Werggarn oder Flockenbast weiterverarbeitet.

Die Arbeit des Hechelns begann stets mit einem groben Kamm, und man benutzte nach gewünschter Feinheit der Fasern immer feinere. Beim dauernden Durchziehen fielen die kurzen Fasern als Werg ab. Sie wurden je nach benutztem Hechel zu gröberem oder feinerem Garn versponnen. Für den gewöhnlichen Hausgebrauch genügten zwei bis drei Hecheln. Zu den feineren bis feinsten Geweben wurden die langen Fasern versponnen. Es ließen sich so feine Fasern gewinnen, dass daraus Gewebe von einer solchen Leichtigkeit hergestellt werden konnten, die uns heute unwahrscheinlich erscheint

Hechelblock
Hechelblock mit Feinhechel:
Hechelwerg und lange Flachsfasern werden getrennt.

Spinnen

Gesponnen wurde, um die Fasern zu einem endlosen Faden zusammenzubringen. Dies geschah, indem man die Fasern schraubenförmig drehte, um die nötige Festigkeit zu bekommen. Es gehörte schon einiges an Übung und Anschauung dazu, um diese Fertigkeit zu erlangen.

Ursprünglich geschah dies mit der Hand. Auf einem Stab, der einen Fuß hatte, war ein Holzkopf zum Anbinden der Fasern angebracht. Das Ganze hieß Rocken oder Wocken. Die Spinnerin zog die Fasern mit der Hand aus und drehte sie. Die Umdrehungen wurden durch eine Spindel andauernd gemacht. Dies war ein nach einem Ende zu sich verdickendes 25 bis 30 cm langes Holzstäbchen, das an einem Häkchen oder in einer Kerbe hing. Zur Erhöhung der Drehkraft und zur Belastung diente ein Spinnwirtel. Dieser war zwiebelförmig, aus Ton gebrannt und hatte ein Loch zum Einlassen in die Spindel. An dieser befestigte die Spinnerin den Fadenanfang, zog nun Fasern aus und drehte sie zum Faden. Wenn die Spindel fast den Boden erreicht hatte, wurde der Faden auf ihr aufgewickelt, um dann nochmals befestigt zu werden. Die Vorgänge wiederholten sich fortwährend.

Spinnrad
Spinnrad

Spinnen war im allgemeinen eine angenehme Arbeit, wenn es in geselliger Runde an den Spinnabenden geschah, vorwiegend während der Wintermonate. Schon früh am Nachmittag trafen sich die Mädchen in einer Stube, und beim Schein der Öllämpchen schnurrten die Spinnräder. Nach dem Abendbrot kamen dann die Jungen, um, wie man sagte, zu haspeln. Manche stimmungsvolle Geschichte wurde gehört, und es waren sicher neben der Arbeit viele Stunden voller Geborgenheit und Gemütlichkeit sowie heute nicht mehr vorstellbare innige Verbundenheit und gelebte Dorfgemeinschaft. Dass die Jungen den Mädchen spät am Abend dann die Spinnräder nach Hause trugen, verstand sich von selbst. Manche Ehe soll auf diese Spinnabende zurückzuführen gewesen sein.

Spulen

Damit das Garn verwebt werden kann, wird es auf eigens dafür bestimmte Spulen umgespult. Die Spulräder sind meist flach gebaut, und man darf davon ausgehen, dass diese Arbeit meist von Kindern verrichtet wurde. Es kam darauf an, die Spulen gleichmäßig zu füllen. Dies erreichte man dadurch, dass die Hand den Faden durch langsames Hin- und Herführen gleichmäßig auflaufen ließ.

Haspeln

Gehaspelt wurde der Flachsfaden, wenn er anschließend gebleicht oder gefärbt werden sollte. Dabei wurde der Faden an der Haspel befestigt und durch langsames Drehen aufgehaspelt. Dabei musste im Anfang die Spule leicht gebremst werden, damit eine gewisse Fadenspannung erreicht wurde. Nach einigen Umdrehungen wurde das Garn mit der Hand geführt, so dass auf der Haspel gleichmäßige Lagen entstanden. Damit man sich nun nicht "verhaspelte" (verzählte ), besaß die Haspel tels ein hölzernes Uhrwerk (Zählwerk) mit zumeist 60 Zähnen. Damit er nicht auseinander fallen konnte, knotete man ihn mit einem Stück Faden zusammen. Nun konnte das Garn noch gebleicht werden.

Garnhaspel
Garnhaspel

Bleichen

Das Bleichen geschah draußen auf der Wiese. Die Stränge wurden ausgebreitet und durch Sonne und Wasser wurde die naturgraue Farbe des Garns weiß. Um das spätere Tuch schneeweiß werden zu lassen, musste man diesen Vorgang oft tagelang wiederholen.

Üblich war es auch, fertig gewebtes Leinen zu bleichen. Dazu wurde das Leinen in langen Bahnen auf dem Rasen ausgebreitet und an den Enden mit kleinen Pflöcken befestigt. Wenn die Natur nicht für Regen sorgte, mußte die Gießkanne nachhelfen, damit ein ständiger Wechsel von Sonne und Wasser gewährleistet war.

Problematisch wurde es, wenn die Wiese gleichzeitig den Gänsen als Futterfläche diente, denn die Gänse hatten nicht besseres zu tun als ihr “Geschäft” auf den ausgebreiteten Leinenstücken zu verrichten. Nun mußten die Kinder her und die Gänse davon abhalten, das weiße Leinen zu betreten - eine Beschäftigung für den ganzen Tag.

Schären

Die Längsfäden in einem Gewebe heißen Kette. Beim Schären wurde eine große Zahl von Kettfäden zusammengetan. Auch wurde hier die Länge des Gewebes vorbestimmt. Der Schärrahmen hat die Form eines Karussels. In der Mitte hat er einen starken Pfosten und wird oben mit einem eisernen Stift gehalten. Der untere Stift steht in einem Steinloch. Oben, in der Mitte und unten ist ein Stern aus vier dicken Brettern, die übereinander liegen und gleichmäßig gespreizt sind. Die Bretterenden sind mit acht senkrechten Pfosten verbunden.

Weben

Es folgt schließlich das Weben und das erneute Bleichen des Leinenproduktes. Siehe hierzu Seite Weben.

Quelle:
Homepage der Arbeitsgruppe Flachs und Leinen
Walter Tillmann, aus Aufsatz Handel, Gewerbe und Landwirtschaft in Hinsbeck, in Hinsbeck, Beiträge zur Geschichte, Sprache und Natur einer niederrheinischen Gemeinde, Schriftenreihe des Kreises Viersen 42, Viersen 1997 ISBN 3-931242-13-7 Locations of visitors to this page