Genealogische Zusammenstellung der Familie Steger vom linken Niederrhein

Sprüche rund ums Weben und die Flachsverarbeitung

Am 28. April 1748 wurde der Gemeinde Hinsbeck ein in Geldern gedrucktes Edikt der Königl. Regierung aus Berlin zugestellt, „wie die wirklichen Armen versorget und verpfleget, die muthwilgen Bettler bestrafet und zur Arbeit angehalten, auch überhaupt keine Bettler geduldet werden sollen'". So mußte auch in jeder Stadt, in jedem Flecken oder Dorf gemäß Verordnung vom 21. Juni 1725 eine Armenkasse eingerichtet werden. „So befehlen und wollen Wir" schreibt die Regierung im Namen des Königs, „daß ... keine Bettler, abgedankten Soldaten, Handwerksburschen und dergleichen" geduldet werden. Sie sollen ohne „Nachsicht weggenommen, die Ursache seines Betteln untersucht" werden. Andernfalls drohte Festungsarbeit oder Einweisung in „Spinnhäuser".
Zur Armenfürsorge gehörte auch, daß „Kinder, von solchem Alter sind, daß sie was verdienen können, so sollen die Mädchen zum Spinnen und andere dergleichen Arbeit anhalten, die Jungen aber by Handwerkern bringen lassen". Den Handwerksburschen wurde zwar überall das Recht auf „gewöhnliche Wanderschaft zur Treibung ihres Handwerks" zugestanden, das Ansprechen und Betteln oder das sogenannte Fechten auf den Straßen und an den Türen der Häuser war jedoch untersagt. Auch wurde darauf geachtet, daß die wandernden Gesellen sogleich bei ihrer Ankunft entweder bei einem Meister in Arbeit traten oder bei den Handwerksladen einen zureichenden Zehr-Pfennig, „wann sie dessen bedürfen", bekamen und damit ihren Weg weiter fortsetzen konnten. Die einheimischen gesunden und starken Bettler - auswärtige Bettler sollten innerhalb von 14 Tagen das Land verlassen - mußten sich durch die Arbeit ihrer Hände selbst den Lebensunterhalt verdienen. Ließen sie nicht vom Betteln ab, so liefen sie Gefahr, in die schon erwähnten Zucht- und Spinnhäuser gebracht zu werden.

Aus dieser Zeit stammt die Redensart: „Es führt zu bösen Häusern". Gemeint sind diese geschlossenen Spinnhäuser - und es bedeutet: ein Unglück kommt, etwas kann schlecht ausgehen. Auch die wenig schmeichelhafte Anrede: „Du spinnst ja!" hatte diese Arbeitshäuser für Straffällige oder Geisteskranke im Blickfeld.

Mit dem Beinamen „Hänsbäcker-Jüüte" sind Menschen gemeint, die es verstehen, andere zu bespritzen, ohne sie naß zu machen. Diese und ähnliche Formulierungen erinnern an die niederländischen Ausdrücke „guyten", so viel wie spotten, „Juit" ist ein Spaßmacher. Es ist der Typ des sympathischen, hart arbeitenden Menschen, der sich und andere mit harmlosem Jux erfreut, ermuntert und vom Alltag ablenkt. Es entspricht seinem Wesen, niemandem ernstlich zu schaden oder ihn gar zu verletzen. Auf dem Umweg über das Arbeitsgerät der Leinenbleicher ist es möglich, in dieser Arbeit über Handel und Gewerbe in Hinsbeck auch ein Bild der agierenden Menschen zu zeichnen, wie es nur selten aus Archivakten zu entnehmen ist. Wenn in früheren Zeiten Leinenweber und Händler aus der Umgebung ins Bergdorf kamen, um ihre Gewebe zur Prüfstelle zu bringen oder um Leinwand einzukaufen, dann wurden in Ermangelung von Zeitungen dabei auch Neuigkeiten ausgetauscht. Den Hinsbecker Jüüten kam dabei zugute, daß ihnen ein Informationsvorsprung zugetraut wurde.

Hinsbecker Jüüt
Ein Bleicher bei der Arbeit, Stich 17. Jahrhundert.

Der Bleicher arbeitet mit reinstem Wasser aus der Quelle, aus der 'Quelle der Weisheit'. Die Zuhörer vergessen rasch, daß „die Jüüt" Wasser schöpft und „der Jüüt" bei seinen Erzählungen auch schöpferisch tätig wird. Den leichtgläubigen Zuhörern wird das Neueste und Absonderlichste taufrisch untergeschoben. Wenn die Heimgekehrten später davon erzählten, bekamen sie oft zu hören: „Dich habbe se schoen naat gemäkkt. Do bös ene Jüüt en die Häng jefalle". Eine Fülle von Wortspielen und Redewendungen rankt sich um die Sphäre: „Mit en Jüüt jet wies gemäck", „jemanden auf die Schippe oder Schöppe nehmen", „Da Düwel hat Kermes" sagen die Leute, wenn es regnet und die Sonne scheint. „Da Düwel halt sin Großmodder op de Bleek". Bei der Bleicharbeit entsteht ein Regenbogen; das Sonnenlicht löst sich auf. „Da Jüüt" kann beim hellen Sonnenschein hinters Licht führen. Seine Gewebe werden bei der Arbeit bleich, blank, glänzend und blinkend wie Blei und Blech. Man kann auch „Blech reden" oder Blödsinn. All diese Worte sind mit dem Ausdruck Bleichen verwandt und den Hinsbecker Jüüten nicht unbekannt.

Quelle:
Walter Tillmann, aus Aufsatz Handel, Gewerbe und Landwirtschaft in Hinsbeck, in Hinsbeck, Beiträge zur Geschichte, Sprache und Natur einer niederrheinischen Gemeinde, Schriftenreihe des Kreises Viersen 42, Viersen 1997 ISBN 3-931242-13-7
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