Geldern als historische Landschaft hat sich im Laufe
der Zeit stark verändert. Das im Mittelalter so machtvolle Herzogtum
verlor zu Beginn der Neuzeit seine Selbstständigkeit und wurde in
der Folgezeit zudem mehrfach geteilt. Die Konsequenz dieser Entwicklung
ist nicht nur die heutige Zugehörigkeit des ehemals einheitlichen
Herzogtums zu unterschiedlichen Staaten (Niederlande, Deutschland
und Belgien), sondern letztlich auch der Verlust einer geldrischen
Identität. Die Karte dokumentiert gewissermaßen den Endpunkt der mittelalterlichen
und den Beginn der neuzeitlichen Geschichte Gelderns. Sie zeigt das
noch unbeschnittene Herzogtum in seiner territorialen Eingebundenheit
im Nordwesten des Heiligen Römischen Reiches um die Mitte des 16.
Jahrhunderts.
Nach dem Tod des letzten geldrischen Herzogs Karl von Egmont im Jahre
1538 sprachen sich die geldrischen Stände für den klevischen Erbprinzen
als Nachfolger aus, der 1539 als Herzog Wilhelm V. (der Reiche) in
Julien, Kleve, Berg, Mark und Ravensberg die Herrschaft übernahm.
Der Erwerb von Geldern hätte diesen Vereinigten Herzogtümern eine
beherrschende Stellung im Nordwesten des Reiches ermöglicht, was vermutlich
auch konfessionspolitische Auswirkungen gehabt hätte, und außerdem
wäre durch Geldern eine direkte Verbindung zwischen den Territorien
Kleve und Julien hergestellt worden. Doch der Anspruch ließ sich nicht
durchsetzen, da er auf den Widerstand des Hauses Habsburg stieß, das
Geldern als (allerdings umstrittenen) Bestandteil des burgundischen
Erbes für sich reklamierte, um seinen niederländischen Herrschaftsbereich
abzurunden. Im kurzen geldrischen Erbfolgekrieg errang Kaiser Karl
V. in der Schlacht bei Düren einen eindeutigen Sieg über Herzog Wilhelm
V, der im Vertrag von Venlo (1543) sich völlig dem Kaiser unterwerfen
und zugunsten von Habsburg auf sämtliche geldrischen Ansprüche verzichten
musste.
Das Herzogtum Geldern, das in seiner Ganzheit 1543 an Habsburg fiel,
bestand aus vier Teilen, den so genannten Quartieren: Nimwegen (Betuwe),
Arnheim (Veluwe), Zutphen und dem südlich gelegenen und wirtschaftlich
besonders wichtigen Oberquartier Roermond, in dem auch die Stadt Geldern
lag. Nach der Reichsteilung Karls V. (1555/56) fiel Gesamtgeldern
zusammen mit den Niederlanden an Spanien, verblieb jedoch im Heiligen
Römischen Reich. Die Quartiere Nimwegen, Arnheim und Zutphen gingen
jedoch faktisch bereits wenige Jahrzehnte später im Niederländischen
Unabhängigkeitskrieg (80jähriger Krieg) an die Generalstaaten verloren.
1648 wurden sie auch staatsrechtlich Bestandteil der Republik der
Niederlande und schieden damit endgültig aus dem Reichsverband aus.
Sie bilden heute im Großen und Ganzen die niederländische Provinz
Gelderland. Dem Königreich Spanien verblieb ab 1648 nur noch das südlich
gelegene geldrische Oberquartier (bis 1713; vgl. Seite ,Die
Aufteilung des Oberquartiers Geldern nach 1713'), das auch weiterhin
Reichsgebiet war. Nur dieses Oberquartier mit den Hauptorten Roermond
und Geldern behielt in der Folgezeit Bedeutung für die deutsche Geschichte
am Niederrhein.
Quelle:
Hantsche Atlas zur Geschichte des Niederrheins, Essen 2004
Literatur:
FRANZ PETRI, Geldern und der nördliche Niederrhein im Wandel der niederländischen
und deutschen Geschichte, in: Ders., Zur Geschichte und Landeskunde
der Rheinlande, Westfalens und ihrer westeuropäischen Nachbarländer,
Aufsätze und Vorträge aus vier Jahrzehnten, hg. von E. Ennen, A. Hartlieb
von Wallthor und M. van Rey, Bonn 1973, S. 821839; KAROLA NÜSSE, Die
Entwicklung der Stände im Herzogtum Geldern bis zum Jahre 1418 nach
den Stadtrechnungen von Arnheim (= Veröffentlichungen des Historischen
Vereins für Geldern und Umgegend, Bd. 63), Köln 1958.