Die kartographische Darstellung der territorialen
Landschaft am Niederrhein um die Mitte des 16. Jahrhunderts ist auf
den ersten Blick verwirrend bunt, zumal viele Gebiete häufig mit Zipfeln
oder Exklaven in Nachbarterritorien hineinragen. Doch bei genauerer
Betrachtung des Kartenbildes und der Legende schälen sich mehrere
Hauptgruppen von zusammengehörenden oder zumindest vom Typ her verwandten
Gebieten heraus.
Der territoriale Kernbereich am Niederrhein waren die Herzogtümer
Jülich, Kleve und Berg als die drei rheinischen Komponenten der Vereinigten
Herzogtümer. Sie bildeten im 16. Jahrhundert gemeinsam mit den westfälischen
Grafschaften Mark und Ravensberg (außerhalb der Karte) und der kleinen
Herrschaft Ravenstein trotz ihrer unterschiedlichen historischen Entwicklung
eine staatliche Einheit unter der Herrschaft der Herzöge von JülichKleveBerg.
Sowohl Kleve wie Jülich erstreckten sich bis zur Maas, und im Norden
ragte klevisches Gebiet als Zipfel bzw. Exklaven in niederländisches
Gebiet hinein (vgl. Seite ,Territorien
um die Mitte des 17. Jahrhunderts').
Die habsburgischen Territorien am Niederrhein setzten sich zusammen
aus dem 1543 im Frieden von Venlo gewonnenen Herzogtum Geldern (dem
Oberquartier mit den Exklaven Viersen und Erkelenz sowie den südlichen
Randgebieten der geldrischen Niederquartiere Nimwegen, Arnheim und
Zutphen) und den bereits vor der Mitte des 16. Jahrhunderts zu Habsburg
gehörenden ehemals burgundischen Gebieten. Nach der Reichsteilung
Karls V. fielen sie 1555 mit den gesamten Niederlanden an die spanischhabsburgische
Linie, verblieben jedoch zunächst insgesamt Bestandteil des Deutschen
Reiches. Ihre Einheit zerbrach allerdings wenige Jahre später, als
sich die nördlichen Provinzen der Niederlande im 80jährigen Krieg
(15681648) erfolgreich gegen die spanische Herrschaft erhoben.
Die geistlichen Territorien besaßen nur vom Typ her eine Gemeinsamkeit:
sie unterstanden Landesherren, die eine Doppelfunktion von weltlicher
und geistlicher Herrschaft ausübten, die nicht durch Erbschaft, sondern
durch Wahl übertragen wurde. Das bedeutendste geistliche Territorium
am Niederrhein war das bis auf wenige Ausnahmen linksrheinisch gelegene
Kurfürstentum Köln, zu dem auch die Exklave Rheinberg gehörte sowie
das westfälische Vest Recklinghausen und das Herzogtum Westfalen (liegt
außerhalb des Kartenausschnitts). Die Fürstbistümer Münster und Lüttich
können nur bedingt zum Bereich des Niederrheins gerechnet werden.
Kleinere und recht unbedeutende, wenn auch reichsunmittelbare geistliche
Territorien waren die Stifte Essen (mit der Exklave Huckarde bei Dortmund),
Werden, Elten, Kornelimünster und Burtscheid sowie Thorn an der Maas.
Im Bereich des Niederrheins gab es nur drei Reichsstädte: Aachen,
Köln und Dortmund, von denen Köln politisch und wirtschaftlich den
höchsten Rang einnahm, obwohl es über kein Territorium außerhalb der
Stadtmauern verfügte. Duisburg hatte bereits im Mittelalter seine
Rechte als freie Reichsstadt verloren und war klevische Landstadt
geworden, während Düren von Jülich erworben wurde. Von den anderen
weltlichen KleinTerritorien war nur Moers mit seiner Exklave Krefeld
von Bedeutung. Landesherr waren hier die Grafen von Neuenahr, die
in den politischen und konfessionellen Auseinandersetzungen der Zeit
eine eigene Position zu vertreten vermochten.
Quelle:
Hantsche Atlas zur Geschichte des Niederrheins, Essen 2004
Literatur:
FRANZ PETRI, Im Zeitalter der Glaubenskämpfe (15001648), in: Franz
Petri und Georg Droege (Hg.), Rheinische
Geschichte, Bd. 2: Neuzeit, Düsseldorf 1976, S. 9217.