Die Entstehung der Krickenbecker Seen durch Torfabbau
Der Venn- oder Torfbauer (nach dem Handwerksbuch von Luykens, Amsterdam
1724).
Aus vielen geschichtlichen Quellen, Flurnamen u. a. läßt sich erschließen, wie der Torf abgebaut wurde. Die einfachste Form war wohl das Torfstechen, das man beim Rasentorf anwandte. An Stellen mit hohem Grundwasserstand und geringer Torfmächtigkeit stach man die Soden unter der Grasnarbe ab und trocknete sie. Das ist sicherlich so geschehen in der Kalverpesch am Hinsbecker Bruch vor dem Schloß. Tieferliegender Torf wurde durch Graben gewonnen. Jakob van Oudenhoven gibt 1670 darüber eine eingehende Schilderung: „Der Torf wird gestochen mit sehr scharfen Spaten, die wie Messer schneiden, um damit die kleinen Äste und Zweige zu durchschneiden. Die Stücke sind ungefähr einen Fuß breit oder etwas länger, getrocknet sind sie so leicht wie Schwämme. Sie werden durchlässig aufgeschichtet, um von Wind und Sonne zu trocknen und werden auf große Haufen gesetzt".
Frischer Torfstich in der Ospeler Peel/NL
Lag der Torf schon im Wasser, wurde der Brei herausgeholt,
mit den Füßen zerknetet, damit das Wasser herauskam, dann leicht angetrocknet
und mit dem Messer zu Torfsoden geschnitten. Der Sumpftorf, der so
weich wie Schlamm war, wurde vom Grunde von Gewässern oder ertrunkenen
Torfstichen gefischt. Man nannte ihn Bagger-, Back-, Kasten- oder
Netztorf. Vom Ufer oder von einem Nachen zog man mit Ketten Holzkästen
oder Netze über den Seegrund, schüttete den Torfschlamm am Ufer aus
und bearbeitete ihn wie vorher. Die Angaben in alten Karten und ihren
Legenden „en all moet gebaggert" können also nicht im
heutigen Sinne des Baggerns verstanden werden.
Von den Netteseen liegen viele Angaben über das Torffischen vor,
weil es noch bis Ende des vorigen Jahrhunderts hie und da betrieben
wurde. Eine Urkunde belegt sogar, daß der Torfgräber Heinken Roosen
ertrank, als er einen mit Torfschlick gefüllten Nachen wegfahren wollte.
Auch die unter dem Sumpftorf liegende „Grießerd" wurde noch zur
Urbarmachung und Düngung von Ackerland herausgefischt. Es ist verständlich,
daß man den Krickenbecker Seen ihre Herkunft nicht mehr ansieht und
sie auf ihrem Grunde nur noch recenten Faulschlamm haben. Die Namen
Venn und Bruch, mit denen die Seen bezeichnet werden, bezeichnen sumpfiges
Gelände, für Gewässer hatte man andere Ausdrücke. Die Namen Breyeller
See, Wittsee sind erst später entstanden, früher hießen sie Schänzkesbruch
und Witbroek. Hinsbecker und Glabbacher Bruch und Poelvenn zeugen
vom einstigen Niedermoor, der Name Schrolik birgt wohl einen ehemaligen
Flurnamen. Jahrhundertelang hat man hier getorft, und wenn man heute
die gewaltigen Veränderungen betrachtet, die zur Energiegewinnung
notwendig sind (Braunkohlentagebaue, Schlackenhalden), wird man unseren
Vorfahren zubilligen müssen, daß sie sich auch ihren Anteil an den
in der Erde ruhenden Energievorräten holten.
Alle noch erreichbaren Karten des Niederrheins, die am Beginn
des 17. Jahrhunderts gezeichnet wurden, stellen das
Nettetal als Sumpflandschaft dar, obwohl Torfkuhlen der Peel oder
die kleinen Mörsenmeere der Grafschaft Moers eingezeichnet sind. Auch
ein altes Weistum aus dem Jahre 1556, das die Grenze zwischen Leuth
und Hinsbeck ausführlich erläutert, gibt keine Gewässer an. Es ist
also wahrscheinlich, daß es wohl schon im 16. Jahrhundert Torfstiche,
aber keine nennenswerten Wasserflächen gegeben hat. Mit Hilfe alter
Urkunden, Gerichtsakten, Chroniken und Landkarten läßt sich feststellen,
wann die Austorfung der Brüche begann und wie durch Flußregulierungen
und Staumaßnahmen für Mühlen und das Schloß Krickenbeck die Seenlandschaft
geprägt wurde. Den besten Einblick gewähren die Torfgräberstreite,
die vor Gericht ausgetragen wurden und von denen Akten noch vorhanden
sind. Man kann dabei sogar der Entstehung der einzelnen Seen nachgehen.
Vom Poelvenn haben wir die ältesten Nachrichten. Herzog Reinald III.
von Geldern erlaubt am 28. 9. 1371 seinem Freunde Johann von Moers,
„die gantze gemeynde, husche ende broeke, gheheyten Poelvynne,
... bei Krickenbeck gelegen " zu kaufen. Hier ist noch keine
Rede von einem See. Der heutige Poelvennsee war sicherlich eine nasse
Torfwiese mit Gagelsträuchern. Aus einer Urkunde Herzog Reinaids IV.
vom 7.3.1409 erfahren wir, daß Einwohner der Gemeinde Lobberich westlich
der Nette im Heronger Venn Torf gestochen hatten und daß ihnen dieses
Recht weiter zugestanden wurde. Im Streit zwischen Lobberich und Leuth
um das Austorfen im Poelvenn führten die Lobbericher 1550 diese Urkunde
als Beweis ihres Rechts an und später noch einmal 1630. Aber die Leuther
konnten ihnen ihre „große Bosheit" nachweisen, denn
das Heronger Veen, auf das sie sich beriefen, war nicht das Poelvenn.
(Kopie
der Karte aus dieser Zeit) Von 1555 bis 1690 mußte Leuth auch
mit Herongen manchen Streit austragen. Die Heronger durften in dem
Venn und in den angrenzenden Heiden ihre Kühe und Pferde weiden und
mit der Sichel Gras schneiden, sie durften aber nicht torfen. Dies
war nur den Einwohnern von Leuth, vom Herselhof und der Flootsmühle
erlaubt. Die Leuther stachen aber große Flächen ab, um den Torf zu
verkaufen. Dadurch wurden die Weideflächen für die Heronger immer
kleiner. 1679 lief den Herongern die Galle über, vierzig von ihnen
erschienen mit Spaten, Heugabeln und Sensen und „arretierten"
die Pferde und Karren von drei Leuther Bauern, die gerade Torf aufluden.
Darauf strengten die Leuther einen Prozeß an, der endlich am 11.1.1731
mit dem Spruch endete, daß den Leuthern das Bruch ganz gehöre. Die
Leuther machten daraufhin aus dem Gemeindesäckel ein großes Gelage,
so daß die königliche Kommission in Geldern bei einer Revision bemerkte,
„ dergleichen Ausgaben würde sie nicht mehr passieren lassen ".
Aus dieser Anmerkung wird deutlich, wie wichtig den Gemeinden die
Torf gründe waren. Im 16. Jahrhundert muß es nur einzelne Torfstiche
gegeben haben, wenn noch genügend Weideland vorhanden war. Erst im
17. Jahrhundert begann der großflächigere Abbau. 1687 muß es schon
größere Wasserflächen gegeben haben, denn man verpachtete die Fischerei
im Bruch für 25 Gulden um darin „mit groten Notten te fischen".
Um 1760 wurden noch einige Nummern Torf schlick längs dem „Herseller
Dyk" und im Schrolik für 158 Gulden verkauft. Dieser Deich
am Südwestufer trennt noch heute das Poelvenn von den Kuhlen, die
ehemals zur Seefläche gehörten. Er ist mit Kiesmaterial aufgeschüttet,
wie man durch Grabungen nachweisen kann. Dieser Deich und die Aussagen
der Leuther in einem Prozeß, daß sie im See dicke Eichenstämme gefunden
hätten, läßt darauf schließen, daß nach den Torfungen der See aufgestaut
wurde, wahrscheinlich um die Burg Krickenbeck besser von Osten her
zu schützen. Die Nette wurde erst später in den See hineingeleitet.
Erst auf einer Karte
vom Ende des 18. Jahrhunderts ist zu sehen, daß Schrolik und Poelvenn
durchflossen werden, vorher lief die Nette an beiden Seen vorbei.
Das ist verständlich, denn man wollte auf den Torfflächen ja kein
Wasser haben. Das Einleiten der Nette hat dann den Poelvenn beträchtlich
vergrößert. Noch heute besitzt das Schwimmbad Fischerheim sandigen
Grund mit geringen Schlammablagerungen.
Der Schrolik ist wohl früher ausgetorft worden, er lag ja auch näher
an Leuth. Karten von 1557 und 1777 zeigen, daß der See schon Ende
des 16. Jahrhundert größtenteils ausgetorft war, während das Poelvenn
sich danach bis zum 18. Jahrhundert verdoppelte. 1777 schrieb der
Venloer Landmesser Smabers über seine Karte von Krickenbeck „poelvinn
uytgetorft, Schralik uytgetorft". An der Austorfung
des Hinsbecker und Glabbacher Bruchs haben sich hauptsächlich die
Hinsbecker beteiligt. Wann sie damit begonnen haben, ist aus Prozeßakten
nicht zu ersehen, wahrscheinlich waren hier die Besitzverhältnisse
von Anfang an ziemlich geklärt. Beide Seen wurden im Zusammenhang
ausgetorft und wurden dann „het breede water" genannt.
Auf einer Karte
von Smabers von 1768 sieht man sieben von Südost nach Nordwest
verlaufende Dämme, die auf festem Grund als Wege nach Hinsbeck, Hamsel,
Bruch weiterlaufen. Der südwestlichste davon führt zu einer Schanze.
Bsp. Torfabführung über Dämme, Ospeler Peel/NL
Auf diesen Dämmen fuhr man den Torf ab. So wurde
auch in der Peel getorft, wo man die Abfuhrdämme aus Torf stehen ließ
und heute noch sehen kann. Die Dämme im Hinsbecker Bruch zeigen ein
oder zwei Durchlässe, über die wahrscheinlich Holzbrücken führten.
Verbindet man die Durchlässe, so erhält man den alten Lauf der Nette,
den sie mit der Renne gemeinsam hatte. Auf der Karte ist auch ersichtlich,
daß man die „Schanz" ausgespart hatte, eine Zufluchtsstätte
der Bauern mit ihrem Vieh in Kriegszeiten.
Die Austorfung erstreckte sich vom heutigen Ostufer des Glabbacher
Bruchs bis zur Leuther Mühle und weiter bis in die Pietjeskuhlen.
Ein als „moolendyck von hinsbeck" eingezeichneter Damm
führte durch das Torfbruch. Einer der Dämme im Hinsbecker Bruch wurde
später als Straße zwischen den Seen ausgebaut, unter ihr liegt noch
eine ca. 2,50 m dicke Torfschicht. Weit in den See hinauslaufende
Schilfzungen deuten auch noch die alten Torfwege an. Auf den Wiesen
rund um das offengelegte Wasser hat man den Rasentorf abgestochen,
denn es heißt auf der alten Karte: „Bembden deels uvtgetorft"
wo heute die Wiese Kalverpesch liegt. Vergleicht man die Karte
von Smabers 1767 mit den ersten Katastern von 1812 und den Tranchotkarten,
so zeigt sich schon die Entwicklung nach dem Austorfen. Drei Dämme
sind noch vorhanden, auch der Damm bei Herschel. Der an der Leuther
Mühle gelegene Teil zeigt schon Verlandungsflächen, die Formen der
Flächen deuten allerdings daraufhin, daß hier unvollständig ausgetorft
wurde. Im Glabbacher Bruch sind 1820 alle Dämme verschwunden, die
Seefläche ist bei Herschel und am Südufer noch vergrößert worden,
sicherlich ist hier nach 1767 noch weiter getorft worden. Nach diesen
Befunden kann nicht mehr daran gezweifelt werden, daß die vier Krickenbecker
Seen dem Torfstich ihre Entstehung verdanken.