Geldern und die Kreiseinteilung am Niederrhein 1824, 1858, 1929 u. 1975
Bereits während der französischen Herrschaft war
die Verwaltung am Niederrhein nach modernen Gesichtspunkten geordnet
worden. Mit dem Übergang des gesamten Rheinlandes an Preußen erfolgte
eine weitere Neugliederung. Dabei entsprachen die neuen Verwaltungsgrenzen
vielfach den Binnengliederungen der napoleonischen Zeit und nahmen
kaum Rücksicht auf die alten historisch gewachsenen und teilweise
bis ins Mittelalter zurückgehenden Territorialgrenzen. Obwohl die
neuen Einheiten immer noch in Bezug auf ihre Größe, Bevölkerungszahl
und Wirtschaftskraft differierten, war im Vergleich zum alten Territorialprinzip
das Bemühen erkennbar, ein annähernd ausgeglichenes Verhältnis zu
schaffen. Die in ganz Preußen einheitliche Einteilung, deren Prinzip
großenteils bis auf den heutigen Tag fortbesteht, erfolgte in Provinzen,
Regierungsbezirke, Kreise und Kommunen. In Einzelheiten war diese
Neugliederung in der Folgezeit jedoch einem steten Wandel unterworfen.
Bedeutsam war für den Niederrhein besonders, dass der 1816 geschaffene
Regierungsbezirk Kleve aus Kostengründen bereits 1821 wieder aufgelöst
wurde; seine sechs Kreise (Dinslaken, Geldern, Kempen, Kleve, Rees,
Rheinberg) fielen an den Regierungsbezirk Düsseldorf. Dadurch verlor
der untere Niederrhein sein eigenes verwaltungsmäßiges Gewicht, das
er durch die traditionsreichen Verwaltungszentren Kleve und (seit
1713) Geldern besessen hatte.
Auch auf Kreisebene erfolgten Änderungen. Die Kreise Geldern und Rheinberg
wurden 1823 zum Großkreis Geldern zusammengelegt, 1857 aber wieder
getrennt. Dabei wurde das Gebiet des ehemaligen Kreises Rheinberg
durch die Bürgermeisterei Frie-mersheim ergänzt und zum Kreis Moers
mit Sitz in Moers umgewandelt. Die sich seit dem 19. Jahrhundert zeigende
Tendenz zur Veränderung von Verwaltungsgrenzen, die besonders in den
industriellen Ballungsgebieten durch die Schaffung von Stadtkreisen
geprägt war, wirkte sich im vorwiegend agrarisch bestimmten Kreis
Geldern nicht aus, der 1928 allerdings die Gemeinden Hinsbeck und
Leuth an den Kreis Kempen-Krefeld verlor. Bestimmend für den unteren
Niederrhein blieben die großräumigen Landkreise. Diese Entwicklung,
die zu einem größeren flächenmäßigen Ungleichgewicht zwischen den
Kreisen, besonders den Stadt- und Landkreisen, führte, setzte sich
in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fort. Am Niederrhein verstärkte
sie sich sogar noch, als die 1965 in Angriff genommene und 1975 abgeschlossene
Gebietsreform nach einer zunächst erfolgenden Zusammenlegung von Gemeinden
dann auch zu einer tiefgreifenden Neuordnung der Kreisstruktur führte.
Gleichzeitig wurde der Begriff ,Landkreis' durch den Begriff ,Kreis'
ersetzt. Dieser Entwicklung fiel neben den Kreisen Kleve, Moers, Rees
und Dinslaken 1974 auch der Kreis Geldern zum Opfer, der über 150
Jahre bestanden hatte. Er wurde am 1. Januar 1975 zusammen mit dem
Kreis Kleve, dem nördlichen Teil des Kreises Rees und einem kleinen
Stück des ehemaligen Kreises Moers zum neuen Großkreis Kleve vereinigt,
der nunmehr den Rhein überschritt. Durch diese Zusammenlegung verschwand
die verwaltungsmäßig letzte Erinnerung an das ehemalige Herzogtum
Geldern endgültig von der politischen Landkarte.
Quelle:
Geldern-Atlas / Irmgard Hantsche, Geldern 2003
Literatur:
GREGOR HÖVFLMANN, Geschichte des Kreises Geldern, Geldern 1974; DERS.,
Die Preußische Verwaltungsorganisation am linken Niederrhein bis zum
Ende des Regierungsbezirks Kleve, in; Meinhard Pohl (Hg.), Raumordnung
am Niederrhein. Kreisreformen seit 1816,Wesel 1975, S. 15-22; KARL-HEINZ
TEKATH, Der Kreis Geldern 1816-1974, in: 25 Jahre Kreis Kleve, Kleve
2000, S. 32-63; DERS., Die Planung und Durchführung einer Kreisneugliederung
am unteren Niederrhein, in: ebd., S. 121-124; CLAUDIA KURFÜRST, Die
Entstehung des Kreises Kleve im Spiegel der Gutachten und Akten, in:
ebd., S. 125-133; GÜNTER LÖFFLER, Verwaltungsgliederung 1820-1980
(= Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, Karte und Beiheft V/2), Köln
1982; RÜDIGER SCHÜTZ, Rheinland (= Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte
1815-1945, Reihe A: Preußen, hg. von Walther Hubatsch, Bd. 7), Marburg
1978; HORST ROMEYK, Verwaltungs- und Behördengeschichte der Rheinprovinz
1914-1945, Düsseldorf 1985; Verwaltungsgrenzen in der Bundesrepublik
Deutschland seit Beginn des 19. Jahrhunderts (= Veröffentlichungen
der Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Forschungs- und
Sitzungsberichte 110), Hannover 1977.