Geldern nach 1815
Nach den Teilungen des
16./17. und frühen 18. Jahrhunderts und der politischen Neugliederung
zur Zeit der französischen Herrschaft erfolgte auf dem Wiener Kongress
die endgültige Auflösung des ehemaligen Herzogtums Geldern. Preußisch
Geldern in den Grenzen von 1713 wurde nicht wieder errichtet. Vielmehr
musste Preußen sämtliche Gebiete westlich der Maas und einen schmalen
Streifen östlich des Flusses an das Königreich der Vereinigten Niederlande
abtreten. Die Grenzziehung des östlich der Maas gelegenen Streifens
erfolgte im Abstand der Reichweite eines Kanonenschusses; er umfasste
mit Gennep und Mook auch klevisches Gebiet sowie die geldrische Exklave
Middelaar. Diese von Preußen 1815 abgetretenen Gebiete gehören seitdem
zur Provinz Limburg, wurden also nicht der niederländischen Provinz
Gelderland zugeschlagen, die weitgehend aus den drei ehemaligen geldrischen
Niederquartieren Nimwegen, Arnheim und Zutphen besteht.
Die durch den Wiener Kongress festgelegte "Kanonenschusslinie"
bildet noch heute die Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und den Niederlanden. Sie zerschnitt ein historisch gewachsenes und
zusammengehörendes Gebiet und trennte Menschen, die nach Volkstum,
Kultur und Sprache gleich waren. Die Auseinanderentwicklung der ehemals
einheitlichen geldrischen Bevölkerung und der Verlust des alten Zusammengehörigkeitsgefühls
erfolgte zunehmend durch die nationalstaatliche Orientierung auf beiden
Seiten der Grenze im Verlauf des 19. Jahrhunderts. Es ist auch eine
Folge dieser Teilung, dass der Begriff "Geldern" nicht mehr
die Bezeichnung für das Gebiet ist, das dem Gesamtterritorium im Mittelalter
den Namen gab, der Bereich um die Stadt Geldern. Das Gebiet des ehemaligen
geldrischen Oberquartiers (im Gegensatz zu den weiter nördlich liegenden
drei Niederquartieren Nimwegen, Arnheim und Zutphen) wird heute weder
auf deutscher noch auf niederländischer Seite als "Geldern"
bezeichnet. Der deutsche Teil wird jetzt dem Niederrhein zugerechnet,
obwohl er geographisch eher zur Maasregion gehört. Selbst verwaltungsmäßig
bildet er keine eigene Einheit mehr, seitdem Ende 1974 im Zuge der
allgemeinen Kreisneugliederung der Kreis Geldern aufgelöst und in
den neuen Kreis Kleve einbezogen wurde. Der niederländische Teil des
Oberquartiers trägt ebenfalls nicht mehr den Namen "Geldern",
sondern gehört zur Provinz Limburg. "Geldern" als verwaltungsmäßige
und politische Einheit beschränkt sich inzwischen ausschließlich auf
die drei ehemaligen Niederquartiere, die heutige niederländische Provinz
Gelderland.
Als Preußen nach 1815 die Herrschaft über die gesamten Rheinlande
antrat, fasste es die ehemalige territoriale Vielfalt in der Rheinprovinz
zusammen. So wie Frankreich die Departements in Arrondissements, Kantone
und Municipalitäten unterteilt hatte, nahm auch Preußen eine neue
Verwaltungsgliederung vor. Die in ganz Preußen eingeführte Einteilung
in Regierungsbezirke, Kreise und Bürgermeistereien berücksichtigte
im Rheinland teilweise die während der französischen Herrschaft erfolgten
Neuerungen, war jedoch mehreren Änderungen unterworfen. 1816 wurde
zunächst der Kreis Geldern geschaffen, der nicht identisch war mit
dem Preußen verbliebenen Rest von Geldern. Die geldrischen Bürgermeistereien
Schaephuysen und Rheurdt mit Rayen kamen zum Kreis Rheinberg, Tönisberg
sowie Lobberich und Grefrath zum Kreis Kempen, Viersen zum Kreis Gladbach.
Dafür wurde der Kreis Geldern durch die zuvor klevischen Bürgermeistereien
Weeze und Kervenheim sowie das ehemals kurkölnische Issum vergrößert.
In dieser Form bestand der Kreis Geldern bis 1823; von 1823 bis 1857
bildete er durch Zusammenlegung mit dem ebenfalls 1816 geschaffenen
Kreis Rheinberg den Großkreis Geldern.
Quelle:
Hantsche Atlas zur Geschichte des Niederrheins, Essen 2004
Literatur:
GREGOR HÖVELMANN, Geschichte des Kreises Geldern. Eine Skizze, Erster
Teil: 1816-1866, Geldern 1974.